Neun Monate kommt der Bauch, neun Monate geht er. So weiß es der Volksmund zu berichten. Wie viel Wahrheit in dieser alten Weisheit steckt, habe ich im Selbstversuch getestet.
Vor der Schwangerschaft habe ich mir immer vorgestellt, wie es sich wohl so anfühlen muss, wenn man eine hübsche kleine Murmel hat, die man voller Stolz vor sich herträgt, verträumt und liebevoll streichelt und die sich ab und an sanft bewegt. Doch wie ist das oft mit Tagträumen und der Wirklichkeit? Da gibt es eine große Lücke, genannt Realität. Doch fangen wir mal von vorne an.
Als ich merkte dass ich schwanger bin, war ich gerade in der 9. Woche. Da war mein Bauch noch flach und straff (hach, das waren Zeiten …). So bleib es auch erst mal eine Zeit lang. Mein Körper schien noch nicht Lunte gerochen zu haben, was da vor sich ging. Die obere Etage merkte zuerst, dass es einen neuen Untermieter gab und begann damit sich rauszuputzen. Heißt übersetzt, die Brüste wuchsen so enorm, dass mir keine Bluse mehr passte. Klingt ziemlich toll, eine gut gefüllte Bluse und sonst nix. Einziger Haken bei der Sache, bei der kleinsten Berührung tat der Busen höllisch weh, selbst der Wasserstrahl unter der Dusche wurde zur Tortur.
Bereits drei Wochen später redete ich mir ein, eine deutliche Wölbung zu sehen. Ich war stolz wie Oskar, wollte am liebsten sofort Umstandskleidung kaufen gehen. Im Grunde genommen war es nur ein Blähbauch, einer dieser herrlichen Begleiterscheinungen in der Schwangerschaft, von denen dir vorher kein Mensch was sagt.
Doch als die Wochen ins Land schritten wuchs diese kleine Murmel. Für den Außenstehenden sah es aus, als hätte ich bei einem All-you-can-eat Buffet ordentlich zugeschlagen. Ich hingegen fand mich schon seeehr schwanger.
Als ich das erste Mal auf meine, nun doch offensichtliche, Schwangerschaft angesprochen wurde freute ich mich riesig. Endlich war zu sehen, dass ich ich nicht einfach zu viel gegessen hatte, sondern dass da ein kleiner Mensch in mir heranwächst.
Im sechsten Monat fand ich meine Kugel perfekt. Der Bauch war hübsch rund, der kleine Untermieter hatte genug Platz sich auszutoben und ich konnte sogar meine Füße noch sehen und kam ohne Schnappatmung die Treppen rauf.
Im letzten Drittel wich der Stolz absoultem Genervt-Sein.
Es kam mir vor, als würde ich plötzlich ziemlich viel Raum beanspruchen. Um es auf den Punkt zu bringen; ich fühlte mich fett! Total albern, schließlich gab es ja einen sehr guten Grund für die enorme Gewichtszunahme. Aber erklär das mal dem hormonvernebelten Schwangerschaftshirn. Jeder Gang auf die Waage, oder ein falscher Blick und ich war den Tränen nahe.
Besonders gut erinnere ich mich an folgende Episode. Ich war in der 36. Woche, also kurz vorm Platzen, und wollte mit Freunden abends Essen gehen.
Ich hatte mir fest vorgenommen eine von diesen fürchterlich eleganten Schwangeren zu werden. Die Frauen, die bis zum Schluss aussehen als wären sie eine Gazelle, die einen Medizinball verschluckt hätte. Elegant und stolz und anmutig. Mit straffem Hintern und prallem Dekoletté wollte ich in einem hübschen Umstandskleidchen und Stilettos über Leipzigs Kopfsteinpflaster schweben. Die Leute sollten denken, „Mensch, sieht die toll aus, für eine Schwangere!“ Genau so lief es. Nicht!
Meine Füße und Hände waren angeschwollen wie die Sonntagsaufbackbrötchen aus der Rolle. Kennt ihr die? Diese Brötchenrollen, wo der Teig herausquillt wenn man sie öffnet? Genau so! Meine Ringe passten schon lang nicht mehr und selbst wenn ich mein Gewicht noch auf High Heels hätte balancieren können, ich hätte ja in kein einziges Paar reingepasst, geschweige denn es ohne fremde Hilfe anbekommen.
Also wurden die Birkenstocks zu meinen aller besten Freunden. Nur gut, dass die derzeit so angesagt sind. Und ich trug auch nicht die neuesten Kollektionen aus Mailand oder Paris, sondern die typische Schwangerschaftsuniform, Leggins und Stretch-Kleidchen. Nix anmutige Gazelle, eher drollige Pummelfee.
Aber gut. Kopf hoch, Schultern zurück und Bauch raus.
An dem besagten Abend also war ich mit meinen Freunden in der Stadt verabredet. Mein Erscheinungsbild war einigermaßen passabel. Ich trug schwarz, das macht bekanntlich schlank. Vielleicht finde nur ich mich so unglaublich voluminös, dachte ich mir in dem Restaurant, als ich die Treppenstufen zur Toilette erklomm. Ich versuchte so wenig wie möglich zu watscheln. Kennt ihr, Schwangere fangen irgendwann an ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen plumpsen zu lassen. Das würde mir sicher nicht passieren. Schließlich habe ich eine ausgezeichnete Körperhaltung, durch Yoga und jahrelanges Tanzen. Stellte sich raus, nützt nix! Ich bin gewatschelt wie eine Ente mit Verstopfung.
Doch ich komm schon wieder vom Thema ab. Wo waren wir? Ach ja.
Ich komme also von der Toilette zurück (ein Ort, den ich in der Schwangerschaft alle 3 Minuten aufgesucht habe) und da fragt einer meiner männlichen Freunde am Tisch, „sag mal Bella, wie viel hast du denn jetzt eigentlich schon zugenommen?“.
RUMMS. Das saß. Er hätte genauso gut sagen können, „wie viel willst du denn eigentlich NOCH zunehmen?“
Denn das hörte ich deutlich zwischen den Zeilen raus (eine Gabe, die uns Frauen quasi in die Wiege gelegt wurde). Dahin waren meine Illusionen, ich wäre eine anmutige und stolze Gazelle. Nein, das war ich nicht. Viel mehr ein Birkenstock-tragendes Hefebrötchen mit Watschelgang.
Was wäre gewesen, wenn der Freund eine der andern anwesenden Damen rundheraus nach ihrem Gewicht gefragt hätte? Wahrscheinlich hätte er den 9-Euro-Cocktail dann aus seinem Polokragen nuckeln können. Doch die dicke Schwanger kann man doch mal fragen. Die anwesenden Mädels wirkten wenig geschockt, viel mehr waren sie ebenso interessiert über meine Gewichtszunahme.
Doch wie unverschämt ist es denn bitte, dass man sich in einer emotional so aufwühlenden Zeit, in der man sich mit so vielen Ängsten herumschlagen muss, wird mein Baby gesund sein? Wie wird die Geburt verlaufen? Was wird sich in meinem Leben ändern? Was wird sich in meiner Partnerschaft ändern? Schaffe ich das alles?Warum muss neben all den Fragen noch hinzu kommen: Sehe ich gut aus? Wie schaffe ich es möglichst wenig zuzunehmen und bitte möglichst schnell wieder abzunehmen?
Man hat das Gefühl, dass man das als gute Mutter und als Frau generell schon auch leisten muss. Für den Partner und für Aussenstehende. „Die Heidi Klum hat sechs Wochen nach ihrer Entbindung Unterwäsche auf dem Laufsteg präsentiert!“, erklärt der Vater einer Freundin kurz nachdem sie ihre süße Tochter zur Welt gebracht hatte. Aha. Okay. Was soll uns diese Information sagen? Sollen wir uns an Heidi Klum messen? Sollen wir auch einen geplanten Kaiserschnitt durchführen, obwohl der kleine Mensch in unserem Bauch noch gar nicht ausgewachsen ist (denn erwiesener Maßen rappelt es in den letzten 4 Wochen noch einmal ordentlich auf der Waage). Woher kommt dieser Druck?
Man wird von allen Seiten beäugt. Auch von anderen Müttern.
Auf der Wöchnerinnenstation kam ich mir vor wie auf dem Catwalk. Alle Mütter beäugten sich gegenseitig und starrten unverhohlen auf die Bäuche der anderen. So gut es ging, versuchte ich meinen geblümten Morgenmantel so zu raffen, dass er an den richtigen Stellen Falten wirft. Oder ich hielt mein frischgeschlüpftes Baby vor den Bauch. Sollten die anderen Muttis doch ihre blöde Wahl zur “Miss-Wochenbett” austragen. Ohne mich!
Doch leider war auch mir dieses After-Baby-Body-Ideal nicht völlig Schnuppe. Nur 5 Tage nach der Geburt meiner kleinen Rakete probierte ich, ob ich schon wieder in meine alten Jeans passte. Siehe da, eine passte tatsächlich schon wieder. Dass diese Hose allerdings einen so hohen Stretchanteil hatte, dass selbst Kim Kardashian ihre Rundungen hätte reinpressen können, war mir in dem Moment egal. Ich war stolz. Pah, 9 Monate soll der Weg zur alten Figur dauern?! Bei mir geht das schneller! Hatte ich schon mal erwähnt, dass die Geduld nicht zu meinen größten Stärken zählt? Getreu dem Motto, „lieber Gott, schenk mir Geduld. Aber sofort!“
Sechs Wochen nach der Geburt schlüpfte ich zum ersten mal wieder in meine Laufschuhe. Nicht um möglichst schnell wieder in Form zu kommen. Nein. Sondern um wieder Stück für Stück zurück zu mir zu finden. Diese neun Monate waren nicht nur eine körperliche Herausforderung, sie haben auch emotional so einiges von mir abverlangt.
Der erste Lauf ging nur ganz langsam voran, logisch, doch es fühlte sich so gut an. Ich hatte meinen Körper wieder für mich. Er war nicht mehr der alte, das wird er auch sicher nicht mehr werden. Alles ist viel softer als vorher, mein Bauch sieht anders aus, die Venen treten deutlicher hervor, ja selbst meine Füße sind größer als vorher. Doch wisst ihr was?
Ich bin verdammt stolz auf meinen Körper! Er hat neun Monate lang einen perfekten kleinen Menschen heranwachsen lassen, was für eine Leistung!
Mit diesem Gedanken, möchte ich mich in Zukunft im Spiegel betrachten und dabei nicht irgendeinem Schönheitsideal hinterherhecheln, sondern dafür sorgen, dass ich mich wieder zuhause fühlen, in meiner eigenen Hülle.