Familienleben

Vom Einzelkind zum großen Bruder. Oder, die Angst davor die Liebe teilen zu müssen.

Da liege ich in unserem großen neuen Bett und die Tränen laufen mir in Sturzbächen über das Gesicht. Dicht an mich gekuschelt liegt mein Babymädchen, 5 Tage alt. Meilenweit von mir entfernt liegt mein großer Junge. 3 Jahre alt, seit 5 Tagen großer Bruder. Was habe ich diesen Moment gefürchtet, wenn meine Nummer 1 plötzlich merkt, dass da ein neuer Mensch in unserem Leben ist. Ein kleines Wesen, das ihn zum großen Bruder macht, wegen dem er den Status Einzelkind verliert.

„Wenn der Mini seine Schwester zum ersten mal sieht, das ist ein magischer Moment!“, schwärmen mir Freundinnen vor. „Das musst du unbedingt für die Ewigkeit festhalten.“ Und die Realität? Der Mini kommt ins Krankenhaus, freut sich tierisch mich zu sehen.

„Willst du deine Babyschwester mal sehen“, gurre ich? „Nein danke, hab schon!“

Gut, das Kamerateam kann ich nach Hause schicken.

Doch versetze ich mich in die Lage meines kleinen Lausbuben, dann wird mir die Tragweite der neuen Situation bewusst. Zwischen mich und den Mini passt kein Blatt. Mein sensibler, lustiger und lebensfroher kleiner Blondschopf. Er hat mich zur Mama gemacht. Da unsere Familien nicht in Leipzig wohnen, gibt es von Beginn an nur uns drei. Ein perfekt eingespieltes Familientrio.

Wir hatten neun Monate um uns auf die neue Situation vorzubereiten. Aber kann man sich überhaupt darauf vorbereiten? Denn plötzlich kommt da ein neues Mitglied dazu und bringt alles durcheinander. Wie bei einer Band. Bislang bestanden wir aus drei Instrumenten. Jeder kannte seinen Einsatz, wir hatten unseren Rhythmus gefunden. Jetzt mischt plötzlich ein neues Instrument mit. Will gehört werden und bringt uns völlig aus dem Takt.

„Das wird gut, du wirst schon sehen“, spricht mir mein Umfeld immer wieder beschwichtigend zu. Und nun? Liegen wir hier im großen Familienbett. Ein extra großes Bett, damit wir alle vier unseren Platz haben. Nun kommt mir das Bett zu groß vor. Mein kleiner Junge liegt am anderen Ende, wie auf einer eigenen kleinen Insel. Für mich unerreichbar. Es fühlt sich an wie fürchterlicher Liebeskummer und wir weinen uns beide in den Schlaf. Wie kam es zu dieser Situation?

An diesem Abend hatte ich versucht meine beiden Kinder ins Bett zu bringen. Das muss doch irgendwie gehen. Doch der Minimann ist ungestümer als erwartet, versteht nicht wie zerbrechlich dieser kleine Neuankömmling ist. Mit einem wilden Sprung ist er plötzlich bei mir im Bett, da passiert es: er stößt mit seinem Kopf gegen die Babyschwester. Ich ziehe scharf die Luft ein, das Baby heult vor Schreck auf. Noch ehe ich reagieren kann, rennt mein kleiner Junge schluchzend zu seinem Papa. Er klammert sich an ihn und fragt

„Papa, hast DU mich denn noch lieb?“

 

Ab da will er nicht mehr in meine Nähe kommen, will nicht mal mehr das Schlafzimmer betreten. Das hält mein geschundenes Mamaherz nicht aus. Während der zweiten Schwangerschaft habe ich mir mindestens so viele Gedanken um meinen kleinen Jungen gemacht, wie um das Baby. Wenn nicht sogar noch mehr. Werde ich ein zweites Kind genau so lieben können? Kommt mein großes Kind nicht zu kurz? Werde ich beiden gerecht werden? Fühlt sich auch keiner vernachlässigt? Und wie es scheint, habe ich in diesem Moment versagt. Mein großes Kind hat das Gefühl den Platz für das Baby räumen zu müssen.
Wie gut, dass der Papa uneingeschränkt für Nummer 1 da ist. Sein sicherer Hafen. Und ich muss einfach Geduld haben. Zaghaft nähere ich mich Tag für Tag wieder meinem Minimann an. Ich vermisse ihn wie verrückt! Versuche das Baby so oft wie möglich dem Papa zu übergeben und Zeit mit meinem Jungen zu verbringen. Doch sobald das Baby weint ergreift der Minimann die Flucht.

Ungefiltert und echt. So sieht das Zubettgehen momentan bei uns aus.

Sechs Wochen später.

Unsere kleine Band spielt sich langsam ein. Hier und da streichelt der große Bruder zaghaft das Köpfchen des Babys, voller Stolz präsentiert er jedem Besucher seine kleine Schwester und wenn es in der Wiege wimmert, dann schaukelt er sie sanft. Doch wenn sie nicht nach 2 Sekunden Ruhe gibt holt er umgehend Hilfe.

An einem Montagmorgen auf dem Weg in die Kita beginnt das Babymädchen im Auto zu weinen. Der Mini auf der Rückbank neben ihr schimpft: „Ach Baby, du bist ne alte Heulsuse!“

Pause.

„Aber ich hab dich trotzdem lieb.“

 

Hört ihr dieses Klopfen? Es ist mein Mamaherz, voller Liebe und Stolz. Es hat einen neuen Rhythmus gefunden.

So ein bisschen stolz ist der große Bruder ja doch.

 

Ich freu mich wenn wir uns bald wiederlesen,

 

Eure Bella

 

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