Eine Mädelsrunde, irgendwo in Deutschland. Erwachsene Frauen sitzen einträchtig beisammen, ringsherum spielen ihre Kinder.
„Ach bin ich froh, dass mein Mann mir die Kinder heute mal zwei Stunden abnimmt“, wirft ein Freundin in die Runde. Zustimmendes Nicken, ja das sei wirklich schön. Mal durchatmen.
‚Hä, wieso eigentlich abnehmen? Soweit ich weiß sind es auch seine Kinder und wenn mich nicht alles täuscht, dann sogar zu 50 Prozent. Hast du irgendeinen Vertrag unterschrieben der besagt, dass du und du allein für die Kinderbetreuung verantwortlich bist? Einzig und allein aus dem Grund weil DU sie ja auch in die Welt gesetzt hast???‘
Das alles würde ich gern fragen, trau mich aber nicht. Denn außer mir scheint es keine der anderen Mütter komisch zu finden, dass Papa die Kinder mal „abnimmt“.
„Nun ja“, erklärt die Freundin weiter, „zwei Stunden reichen ja auch. Schließlich arbeitet er die ganze Woche und brauch auch mal ne Pause.“ Wieder bestätigendes Nicken der Anderen und in mir brodelt es. So sehr, dass ich bald überkoche!
„Schließlich arbeitet er die ganze Woche!“
Er arbeitet? Und du, mit deinem Baby und deinem Kleinkind? Was machst du? Wellness im Allgäu? Ich glaube nicht!
Als wäre die Kinderbetreuung selbst nicht schon ein Vollzeitjob, kommt bei den meisten Frauen auch noch der Haushalt und die sogenannte Care-Arbeit dazu. An tausend Dinge muss gedacht werden, alle wollen was. Da ist der Elternabend in der Schule, der Geburtstag des Nachbarkindes, welches eingeladen hat und auch ein Geschenk bekommen soll. Der Kindergarten veranstaltet einen Kuchenbasar, kannst du einen glutenfreien Gugelhupf backen? Wann war noch mal die nächste U-Untersuchung vom Baby, musst du noch einen Termin machen? Das Frühjahr steht an, sortiere die Kleider der Kinder aus und besorg neue! Wie, du hast vergessen eine Matschhose mit in den Kindergarten zu geben? Und kannst du bitte noch 20 ausgepustete Eier mit in die Schule geben. Weiß. Bis morgen!
Wir machen das. Alles. Nebenher. Warum? Weil wir es nicht anders gelernt haben. Unsere Mütter haben das zumeist schon alleine gewuppt, unsere Omas sowieso . Auch ich habe die klassische Rollenverteilung lange Zeit nicht hinterfragt. Papa arbeitet, Mama kümmert sich um den Rest.
„Vater des Jahres“
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Sätze fallen wie „Ein Kind braucht seine Mutter!“ In einer Gesellschaft, in der die Elternzeit zum Löwenanteil von Frauen getragen wird. Die üblichen zwei Monate die der Papa beisteuert, werden oft schon heroisch gefeiert,. Nimmt er gar mehr, fragt man sich, was da zuhause schief läuft.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der nur 6% der verheirateten Frauen ein Nettoeinkommen über 2.000 Euro erwirtschaften. Ganz selbstverständlich arbeiten die Mütter in Teilzeit.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der ein Mann zum „Vater des Jahres“ gewählt wird, weil er sich um Kinder und Haushalt kümmert, während sich seine Frau darauf vorbereitet, als erste deutsche Astronautin zur Internationalen Raumstation ISS zu fliegen (diese Rabenmutter!). Dafür gibt es 5.000 Euro und viel Anerkennung. Darf ich mal ganz vorsichtig nachhaken, wie viele Frauen schon mit Titeln und Preisgelder, Glanz und Gloria überschüttet wurden, weil sie ihrem Mann den „Rückenfreihalten“ wie es so schön in der Begründung der Titelvergabe heißt???
Warum ist das so? Warum finden meine Freundinnen, unsere Mütter, Omas, Nachbarinnen und Kolleginnen es nicht auch fürchterlich ungerecht, dass Haushalt und Kinder automatisch der Frau zugeschrieben werden. Übernimmt der Mann einen Teil davon, dann wird er behandelt, als sei er der gut bezahlte Babysitter, den man bloß nicht zu lang mit diesen Zusatzaufgaben allein lassen darf.
Hier liegt auch eine der großen Schwierigkeiten dieses Problems. Neben der Erwartungshaltung des Umfeldes, und der Gesellschaft; die eigenen Erwartung!
Raus aus Schema-Mama
Wir Mütter dürfen und müssen mehr Verantwortung an die Väter abgeben und dann auch akzeptieren, wenn sie Dinge anders handhaben.
Natürlich haben die Kinder und ich eine Routine entwickelt, die den Tagesablauf meist ganz flüssig gestaltet. Doch ihre kleine Welt wird auch nicht aus den Fugen geraten, wenn eben nicht alles nach Schema-Mama läuft. Das muss ich lernen und nicht gleich hysterisch die Folgeschäden von zu hohem Medienkonsum im Kleinkindalter googeln, oder Angst haben, dass mein Dreijähriger unter Mangelernährung leidet, weil es schon den zweiten Abend in Folge Nudeln mit Tomatensauce gab. Und auch die Care-Arbeit müssen wir abgeben. Dann gibt es vielleicht gekauften Rührkuchen mit ganz viel Stabilisatoren und extra Zucker zum Kuchenbasar und das Nachbarkind kriegt einen Amazon-Gutschein. So what?
Und während ich gedanklich mein Rollenbild neu ordne meldet sich meine Freundin wieder zu Wort. „So ich muss nun aber los, die zwei Stunden sind sonst gleich vorbei.“
„Was machst du denn mit deiner schönen Freizeit?“ frage ich.
„Na mal ordentlich putzen! Ich komm doch sonst zu nix!“
Hallo! Ich lebe in den Niederlanden und habe im letzten Jahr meine Tochter bekommen. Hier gibt es keine Erwartungshaltung an die Mama um 12 Monate daheim zu bleiben, im Gegenteil nach 3 Monaten geht es meist wieder an die Arbeit. Das war hart, vor allem für meine deutschen Freunde und Verwandten. Für mich auch, aber vor allem weil ich ein schlechtes Gewissen hatte. Sollte es ich nicht schlecht anfühlen? Nein, hat es nicht. Mein Mann und ich wir arbeiten beide etwas weniger und jeder hat einen gleichen Anteil an der Sorge für unsere Tochter.
Hätte ich alles genauso gemacht, wenn wir in Deutschland leben würden? Ich weiß es nicht. Es ist ein bunter Mix aus eigenen Erwartungen ans Familienleben, gesellschaftlichen und beruflichen Erwartungen und Möglichkeiten der dem neuen Denken und Tun im Weg steht.
Liebe Annett,
vielen Dank für deinen Kommentar. Das ist natürlich hart für euch, nach drei Monaten wieder einzusteigen. Doch, dass sowohl dein Mann als auch du die Arbeitszeit zum Wohl eurer kleinen Familie kürzt, finde ich ganz fantastisch. Ich wünschte, dass solche Modelle auch bei uns zulande häufiger zu finden wären.
Liebe Grüße
Bella